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Auf einen Tee mit Maike

Wir treffen uns bei Maike zuhause. Sie kränkelt ein bisschen. „Der Stress der letzten Wochen, den lässt mein Körper jetzt raus“, kommentiert sie ihren Zustand, „Kaffee oder Tee?“

Aus Tassen mit Goldrand trinken wir Tee. Sonne scheint durchs Fenster. Wir würden uns gut in einer Szene aus dem „Liebe triumphiert“-Film von Nico, Hanna und Mirjam machen, schießt es mir durch den Kopf.

„Das Dernieren-Loch ist diesmal ganz anders als sonst. Ich muss mich schon ziemlich erholen von den letzten Wochen. Es war echt viel Arbeit.“

Dernieren-Loch, das ist das Gefühl, das sich einstellt, wenn die letzte Vorstellung stattgefunden hat und dann plötzlich alles vorbei ist. Dann breitet sich eine Leere aus: Keine Proben mehr, kaum Orga-Kram, es besteht keine Notwendigkeit mehr, die Leute zu sehen, mit denen man die letzten Monate Tag für Tag verbracht hat.

Aber Maike meint, nicht nur bei ihr ist jetzt diese Lücke, sondern: „Ich hab schon das Gefühl, dass wir eine kleine Lücke hinterlassen haben.“ Sie erzählt, wie sie erst mal eine Struktur miteinander schaffen mussten. Andere mixed-abled-Teams arbeiten schon jahrelang zusammen und haben ihre Strukturen und Abläufe, da ist alles klar. Aber das DIESE-LIEBE-Team gibt es ja erst seit diesem Frühjahr. Ich finde, dass es das nochmal beeindruckender macht, was letztendlich geschafft worden ist.

„Das KAT 18 hat ja bestehende Strukturen, wir mussten also irgendwie da hineinwirken um unsere Struktur in der Struktur zu entwickeln. Das ist uns tatsächlich gelungen“, sagt Maike und sieht zufrieden aus.

Mich interessiert, wie das anfangs war, als es noch keine Struktur gab, sich die Leute untereinander noch nicht kannten und das ganze Miteinander noch sehr neu war.

„Gab es Berührungsängste mit den internen KAT18-KünstlerInnen?“

„Bei mir? Oh ja! Und wie! Zuerst hatte ich Angst, ich verletze die Leute, allein dadurch, dass ich da bin. Souleymane hat dann das Eis gebrochen. Ich habe ihn immer machen lassen und nie gesagt, er soll dies oder das nicht tun. Das war nicht meine Aufgabe. Und irgendwann saß ich dann da auf dem Sofa und plötzlich kommt Souleymane und setzt sich daneben und fängt an mit mir zu reden, einfach so. Mit ihm hatte ich dann immer wieder surreale und irgendwie hochphilosophische Gespräche, einmal zum Beispiel, da sind wir Bahn gefahren. Und Souleymane fing wieder eins dieser 'warum eigentlich' - Gespräche an, die die normale Realität komplett hinterfragen.

„Ach, normal...“

„Stimmt, solche Kategorien haben sich für mich auch ziemlich aufgelöst. Ein bisschen so wie in dieser Gender-Diskussion. So wie es diese Kategorien 'weiblich' und 'männlich' nicht gibt, liegt zwischen den Kategorien 'beeinträchtigt' und 'nicht beeinträchtigt' ein ganzes Spektrum an Möglichkeiten. Diese Kategorien haben sich zwar nicht aufgehoben, sind aber sehr in den Hintergrund gerückt. Von einer Person aus dem Publikum habe ich gehört, dass sie dachte, das Team in der Katakombe, also Marvin, Malin, Buket und Michael, bestehe ausschließlich aus Künstlern 'mit Beeinträchtigung' – es verschwimmt also wirklich alles. Ich habe bei der Arbeit mit den DIESE-LIEBE-Künstlern auch ziemlich schnell nicht mehr daran gedacht, wer hier angeblich die Beeinträchtigung hat und wer nicht.“

Ich frage Maike, wie die Arbeit mit der Gruppe überhaupt war – Gruppenprozesse spielen in der Theaterarbeit ja eine ziemlich wichtige Rolle.

Auf diese Frage hin kräuselt Maike die Lippen.

„Hmm, also die Gesamtgruppe hat sich eigentlich erst in den Generalprobentagen gefunden. Die externen Künstler haben sich zwar immer wieder auch zusammen getroffen und Inhaltliches besprochen, aber so ganze Probentage mit allen zusammen, das gab es erst zum Ende hin. Vorher waren die Künstler meistens in ihren Teams und Tandems und hatten da ja eine Menge zu tun. Es konnten ja nicht einmal alle Künstler alle Performances sehen, was schade ist. Umso wichtiger war es dann, dass wir an den Haupt- und Generalprobentagen immer zusammen gegessen haben und es zumindest einen kurzen Moment gab, wo alle zusammen waren, aber nicht gearbeitet wurde. Ein weiterer Monat im Vorhinein hätte uns allen gut getan. Einfach zum Kennenlernen und Ausprobieren.“

Wir reden darüber, ob es denn ein nächstes Mal mit dieser Gruppe geben wird. So in dem Rahmen nicht, das ist klar. Maike kann sich aber gut vorstellen, nochmal mit den KünstlerInnen zusammen zu arbeiten. Noch stärker Richtung Bewegung würde es dann vielleicht gehen. Aber das steht erst mal nicht an.

Als wir über ein „nächstes Mal“ reden, kommen wir auch auf das Thema Presse zu sprechen.

„Dieses Mal habt ihr der Welt gezeigt, wer ihr seid, nächstes Mal schreibt die Welt darüber“, kommt mir der Gedanke. Dann fällt mir auf, dass es ja nicht direkt „Die Welt“ sein muss, die über «projek zukumpf» berichtet, aber ein bisschen mehr Medienpräsenz wäre schon toll.

„Im Herbst wird die Doku von Hanna gezeigt, da trifft sich die ganze DIESE-LIEBE-Gruppe nochmal wieder und schaut zusammen den Film. Es wird vielleicht auch jemand von arte dabei sein.“, sagt Maike.

Auch wenn keine Zeitung darüber berichtet hat, was im KAT 18 Anfang Mai geschafft wurde, ist es doch bei vielen Leuten angekommen. Alle Veranstaltungen waren packevoll besucht, es wurde weitererzählt, sogar Anfragen gestellt, wie man denn da mitmachen könnte.

„Theater ist zwar nie nachhaltig, nach ein paar Vorstellungen ist alles vorbei. Aber in den Köpfen bleiben doch die Erfahrungen und Erinnerungen an das, was geschaffen wurde, beim Publikum und bei den KünstlerInnen“, meint Maike und lässt ihren Blick durch die Küche schweifen, „und in unserem Fall bleibt findet man wohl immer noch irgendwo ein bisschen Konfetti!“

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